Warum tun wir uns das an?

Manchmal fragen wir uns, warum wir Herausforderungen und Schwierigkeiten überhaupt durchleben müssen. Oder warum wir uns manchmal für bestimmte Ziele so quälen. In diesem Artikel möchte ich erkunden, wie Prüfungen und gezielte Anstrengung unseren Glauben vertiefen, unseren Charakter formen und persönliche Kämpfe zu einer Quelle der Stärke machen können - nicht nur für uns selbst, sondern auch für die Menschen, die uns am nächsten stehen, und die Welt um uns herum.

Es gibt eine populäre Redewendung:

Harte Zeiten bringen starke Menschen hervor. 

Starke Menschen schaffen gute Zeiten.

Gute Zeiten machen die Menschen schwach.

Schwache Menschen führen zurück in harte Zeiten.

Es beschreibt einen Zyklus (- Not -Stärke - Wohlstand - Schwäche - Not usw.), der sich durch die Menschheitsgeschichte wiederholt. Aber wie verhält es sich mit dem Glauben?

Es ist kein Geheimnis, dass Glaube gerade in schweren Zeiten wächst. Doch was passiert danach?

Es geht nicht nur darum, die Anstrengungen oder Prüfungen des Lebens auszuhalten - sie sind zugleich der Boden, auf dem etwas Größeres Wurzeln schlagen und uns stärken kann, manchmal sogar der einzige Weg, durch den wirklicher Wandel überhaupt erst stattfinden kann.

Wenn Glaube in schwierigen Zeiten überlebt, kann er uns verwandeln und über uns selbst hinauswachsen lassen - zu etwas, wozu wir ohne diese Anstrengungen nicht fähig gewesen wären.

Er formt unseren Charakter, unsere Entscheidungen und die Art, wie wir für die Menschen um uns herum da sind.

Im Islam bedeutet Stärke nie nur Durchhaltevermögen oder Belastbarkeit. Es geht darum, dass das Herz weich bleibt, während die Seele standhaft ist und die eigene Würde bewahrt. Es geht darum, aufzustehen ohne Arroganz, mutig zu handeln, ohne Mitgefühl zu verlieren, und den richtigen Weg zu wählen, selbst wenn uns der Komfort zurückzieht.

Vor allem gilt: Egal, welche Prüfungen oder Herausforderungen uns begegnen, ist es entscheidend, unsere Menschlichkeit zu bewahren - andere mit Respekt und Mitgefühl zu behandeln. Selbst wenn nur noch eine Kruste Brot und ein Schluck Wasser übrig sind, lehrt uns der Islam, zu teilen und nicht zuzulassen, dass uns die Not unseren guten Charakter raubt. Selbst in extremen Momenten sollen wir nicht miteinander schreien oder gegenseitigen Respekt aufgeben; wir müssen ruhig und besonnen bleiben und unsere Würde und die der anderen um uns herum bewahren. Wenn alles andere verloren scheint, muss dies bleiben - denn das ist der Kern des Islam.

Sobald dieses innere Fundament geschützt ist, kann sich Stärke im nächsten Schritt entfalten. Von hier aus beginnt das Herz zu wachsen - ruhig, geduldig, bereit, das zu tragen, was einst unerträglich schien.

Wahre Stärke entsteht, wenn wir standhaft bleiben, obwohl alles in uns zittert. Wenn wir in Verwirrung, Schmerz oder Angst an Allah festhalten - nicht perfekt, aber beständig. Diese Stärke ist leise, mutig und kraftvoll. Sie gibt uns die Fähigkeit, familiärem Druck mit Geduld zu begegnen, zunehmender Abstumpfung und Rücksichtslosigkeit mit Mitgefühl und Fürsorge entgegenzutreten und das Schädliche zugunsten des Besseren hinter uns zu lassen - selbst wenn es uns Bequemlichkeit und Sicherheit kostet, indem wir den vertrauten Komfort aufgeben, zum Beispiel durch Hijrah: einen Ort zu verlassen, an dem das Leben leichter ist, um im Glauben stärker zu werden.

Solche Stärke darf nicht bei uns enden. Sie soll unsere Kinder prägen. Sie sehen, worauf wir bauen, wie wir uns in Zeiten des Überflusses und in Momenten großer Belastung verhalten und wie wir andere behandeln - selbst wenn niemand zusieht. Sie sollen unseren Glauben nicht einfach nur übernehmen, sondern ihn leben, weitertragen und stärken - diesen Kreislauf schwacher Generationen ein für alle Mal durchbrechen, durch einen Glauben, der in Herausforderungen nicht Verzweiflung sieht, sondern den Boden, auf dem wahre Stärke wächst.

Wenn wir den Weg des Glaubens aufrichtig gehen, wird jede bewusste Herausforderung, jede Anstrengung zu einer Errungenschaft, die weit über uns hinauswirkt. Sie schafft Gemeinschaften, die nicht auf Angst oder Bequemlichkeit gebaut sind, sondern auf Vertrauen, Mut und Mitgefühl.

Denn Glaube, der in Zeiten der Not oder durch bewusst gewählte Herausforderungen gelebt wird, formt Menschen, die sich nicht verstecken, wenn Prüfungen kommen. Die hervortreten und standhalten, wenn Mut und Handeln gefragt sind. Sie bauen auf. Sie setzen instand. Sie schützen. Sie geben anderen Hoffnung und neue Kraft, wenn alles dunkel erscheint.

Am Ende ist Not nicht unser Feind. Sie ist unser Trainingsplatz. Sie lehrt uns Disziplin ohne Stolz, Großzügigkeit ohne Erwartung und Standhaftigkeit ohne Härte im Herzen. Durch sie wächst aus Schwäche Stärke.

So nutzt Allah in Seiner Weisheit Schwierigkeiten nicht, um uns zu brechen, sondern um uns zu besseren Menschen zu formen, die mehr tragen können - für unsere Familien, unsere Gemeinschaften und die Ummah als Ganzes.

Jede Entscheidung, zu glauben, jeder Versuch, Allah näher zu kommen - sei es durch das Üben von Geduld, Barmherzigkeit, Nächstenliebe, Selbstkontrolle, durch Erwerb von Wissen oder das mutige Annehmen von Anstrengungen - jede damit verbundene Träne in der Stille der Nacht geht nicht verloren. Sie baut eine Kraft auf, die vielleicht nicht sofort sichtbar ist, aber in uns lebt, durch uns wirkt und über uns hinaus Bestand hat.

Und was, wenn die Zeiten leichter wären, die Not gering und das Leben bequem? Der Kreislauf der Generationen am Anfang des Textes warnt uns: Komfort kann still und leise zerstören, was wir in Härte aufgebaut haben. Doch der Islam ruft uns, wachsam zu bleiben. Wir sind nicht dafür gemacht, in Schwäche zu versinken. Wir sollen stark bleiben - nicht, indem wir nur einfach auf neue Prüfungen warten, sondern indem wir aktiv Herausforderungen suchen: lernen, auch wenn es einfacher wäre, nichts zu wissen; uns disziplinieren, auch wenn Bequemlichkeit lockt; für die Wahrheit einzustehen, auch wenn Schweigen sicherer wäre; und zu geben, auch wenn Nehmen leichter wäre.

Auf diese Weise können wir selbst in unbeschwerten Zeiten den Weg des Wachstums wählen. Ohne nachzulassen orientieren wir uns an unserem Glauben als Quelle der Motivation - immer auf der Suche nach dem besten Weg, nicht nach dem bequemsten. So prägen wir unsere Kinder und die kommenden Generationen: eine Generation, deren Prinzipien Stärke formt – eine Stärke, die nicht nur uns selbst dient, sondern auch denen um uns herum.

Teile mir deine Gedanken mit. Erzähle, wie Herausforderungen deinen Glauben und dein Sein geformt haben. Hinterlasse deine Kommentare auf meinem Instagram-Account @minsakinah

Anna @ Min Sakinah