Schicht um Schicht

Wir werden von der Zeit geformt, nicht nur durch das, was wir wählen,
sondern auch durch das, was uns begegnet, ohne dass wir es wollten.
Das Leben hinterlässt Spuren: feine Linien, Brüche, Schichten.
Sie alle gehören zu uns, auch wenn wir sie oft erst später verstehen.

Am Anfang wollen wir alles steuern.
Wir glauben, wenn wir uns nur genug anstrengen, wird alles so, wie wir es wollen.
Doch das Leben antwortet mit Widerstand und Wandel.
Es nimmt, was wir nicht loslassen wollen,
und schenkt, wofür wir keinen Platz sahen.

Zwischen diesen Bewegungen wächst etwas Unsichtbares: Erkenntnis.
Nicht als Wissen im Kopf, sondern als stilles Begreifen im Herzen.
Wir beginnen zu verstehen, dass jede Erfahrung, so schmerzhaft sie war, etwas geformt hat.

Dass die Enttäuschung uns Demut lehrte und der Verlust uns zeigte, woran wir uns wirklich halten können.
Wenn wir uns gegen das stellen, was geschieht, zerstreuen wir uns.

Wir verlieren uns in dem Versuch, das Unvermeidliche zu verhindern.

Doch in dem Moment, in dem wir annehmen, beginnen wir, das verborgene Gleichmaß zu sehen:
die Ordnung hinter den Fragmenten,
die Bedeutung selbst im Innehalten,
den Sinn im Bruch.

Wahre Ruhe ist kein Zustand ohne Bewegung.
Sie entsteht, wenn das Herz nicht mehr kämpft, sondern sich in Einklang bringt mit dem, was Allah bestimmt hat.
Dann wird Stille nicht leer, sondern weit.
Dann wird Geduld nicht Last, sondern Halt, der das Herz trägt und formt.

Mit der Zeit erkennen wir:
Nichts war vergeblich.
Jede Falte, jede Narbe, jede Reue hat uns geformt.
Aus Widerstand wurde Einsicht, aus Schmerz wurde Tiefe, aus Angst wurde Nähe zu Dem, der niemals fern war.

Und so wächst Schicht um Schicht in uns: Geduld, Hingabe, Vertrauen.
Sie legen sich um unser Herz wie Ringe um einen Kern.

Und um all das legt sich mit der Zeit eine äußere Hülle, nicht kalt, nicht abweisend, sondern bewahrend.
Sie entsteht aus dem Wissen, was uns nährt und was uns schwächt.
Sie schützt das Gewachsene, ohne es einzuschließen.
Wie die Rinde eines Baumes die Jahresringe hütet, bewahrt diese Hülle unser Inneres vor dem Zerstreuen.
Sie ist das Gleichgewicht zwischen Offenheit und Grenzen, Sanftheit und Standhaftigkeit, ein stiller Schutz, der nicht trennt, sondern wahrt.

Bis wir schließlich verstehen:
Alles, was uns formte, führt uns zurück zu Dem, der uns erschaffen hat,
und schenkt den Frieden, nach dem sich jede Seele sehnt.

Anna @ Min Sakinah